Handlung
Eine Psychiatrie als Handlungsort, drei Wissenschaftler als wichtigste Patienten, eine bestimmende Irrenärztin. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an ein sehr berühmtes Theaterstück eines Schweizer Autoren. Und doch ist das, was der Literaturkurs der Q1 des Gymnasiums an der Gartenstraße 2013 daraus gemacht hat, vielmehr als ein „Update" eines bekannten Stoffes. In großer Eigenregie und noch größerem Engagement hat der Kurs sich das Stück vorgenommen und um die immer noch relevante Kernfrage nach einer Ethik der Wissenschaft quasi ein neues Stück gebaut. Ein Stück, das gerade jetzt durch die Enthüllungen von Snowden aktueller nicht sein kann.
Diese Psychiatrie behandelt vor allem Menschen, die durch das Internet auf verschiedenste Weisen negativ beeinflusst werden. Unter ihnen befindet sich auch Irene / Ingo Thomasson (Nina Hollmann/ Paul-Felix Voell), die/der behauptet, dass der große Steve Jobs ihr/ihm erscheinen würde. Aber auch der Leiter eines der mächtigsten lnternetkonzerne (Till Schreiber) und der Erfinder des ganzen Internets (Muhammad Alkhen) befinden sich unter den Patienten. Doch in der Psychiatrie passieren merkwürdige Dinge, die der Kommissar/ die Kommissarin (Daniel Wilms/ Ricarda Boente) verzweifelt versucht, aufzuklären. Aber welche Rolle spielt die mysteriöse Oberärztin (Rebecca Cremer/ Laura Herbst)?
Der LITKURS 2.013 sind
(in der Reihenfolge des Auftritts):
Frau Dr. Zahnd |
Laura Herbst |
Rebecca Cremer |
l.T. |
Nina Hollmann |
Paul-Felix Voell |
Zuckerberg |
Till Schreiber |
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Berners-Lee |
Muhammad Alkhen |
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Patienten |
Samia Elouardani, Clemens Marcus, Jan Netzer, Ilona Sieben, Hannah Wittmann |
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Hausmeister |
Marvin Aretz |
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Sein Assistent |
Dennis Nukic |
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Schwester Mandy |
Jana König |
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Kommissar |
Niklas Streerath |
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Oberschwester |
Eva-Maria Wettstein |
Carina Simoes Ribeiro |
Kommissar/in Voss |
Daniel Wilms |
Ricarda Boente |
Kollege Keppler |
Clemens Marcus |
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Gerichtsmediziner Römer |
Samia Elouardani |
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Frau Heinrichsmeier |
Hannah Wittmann |
Jana König |
Herr Heinrichsmeier |
Jan Netzer |
Niklas Streerath |
Ihre Kinder |
MarvinAretz, Samia Elouardani, Clemens Marcus |
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Schwester Mona |
Ilona Sieben |
Christina Ciecierski |
Oberpfleger |
Dennis Nukic |
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Weiteres Pflegepersonal |
Rebecca Cremer, Carina Simoes Ribeiro, Ricarda Boente, Jana König, Christina Ciecierski, Paul-Felix Voell |
Laura Herbst, Nina Hollmann, Eva-Maria Wettstein, H an n ah Wittmann, Ilona Sieben, Daniel Wilms |
Technik |
Simon Früh, Jan Honsbrok, Theresa Zimmermann |
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Leitung |
Jan-Henrik Buchholz |
Generalprobe vom 25.06.2013
http://fell-mg.de/index.php/de/fotos-schule/theater/197-update-2013-hr-buchholz#sigProIddb9baf5599
Gymga proudly presents: “Update”.
von Elke Hochheimer
Eine Aufführung des Literaturkurses der Q1 unter der Leitung ihres Lehrers Jan- Henrik Buchholz, Mittwoch, 26.6., Donnerstag, 27.6. 2013
Plakat BKann man der Bedrohung durch den Weltuntergang heitere Züge abgewinnen? Man kann, wenn man das „Update“ gesehen hat, das der Litkurs dem Stück „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt verpasst hat. Hat Dürrenmatt 1962 die größte Gefahr für die Menschheit in der Atomkraft gesehen, deren Besitz Macht bedeutet und die deshalb von den powerhungrigen Politikern unterschiedlicher ideologischer Systeme beansprucht wird, haben für die Schüler andere Produkte wissenschaftlicher Forschung ein genauso menschheitsgefährdendes Potenzial. Sie hatten eine beängstigend lange Liste von hochaktuellen Bedrohungskandidaten, haben sich dann dazu entschlossen, das Internet als Gefahrenquelle für unser aller Leben zu thematisieren.
Es sollte ihr Stück sein, echter Transfer, nicht nur die eher reproduktive Aufführung eines Klassikers, und so haben die Beteiligten sich auf den langen Weg gemacht, die Motive des Dürrenmatt-Stückes herauszuarbeiten, zwischen zeitgebundenen und und immer noch aktuellen Aspekten zu unterscheiden, und die vorgefundene Handlungsstruktur in ihr Wissenschaftsthema und ihre Aufführungsmöglichkeiten hin zu transportieren.
Es war ein langer und mühsamer Weg mit etlichen, auch heftigsten Diskussionen, ausbrechenden Emotionen, einem Besuch von Kleists „Der zerbrochene Krug“ im Schauspielhaus Düsseldorf, um einen Überblick über gestalterische Möglichkeiten zu bekommen, und vielen, vielen Improvisationen, in denen Text, Gags, Dramaturgie erarbeitet und immer weiter verfeinert wurden.
In beiden Stücken sind die Hauptprobleme: Was darf die Wissenschaft? Kann man Wissenschaft stoppen? Kann man etwas aus der Welt entfernen, nachdem es einmal gedacht worden ist? Die Antwort Dürrenmatts und die Antwort der Schüler ist nein.
Schauplatz der Handlung ist das private Sanatorium der bekannten Irrenärztin Frau Dr. Zahnd, in der neben drei verrückten Computerspezialisten (I.T. , die behauptet, der große Steve Jobs erscheine ihr, ein eingebildeter Mark Zuckerberg und ein eingebildeter Tim Berners-Lee, dem Erfinder des Internets) sich etliche Opfer der Internet-Besessenheit diversen Therapien unterziehen müssen. Dieses Irrenhaus wird dem Publikum im Werbe-Film vorgeführt – es ist unsere Schule, und man muss feststellen, das Gebäude eignet sich verdächtig gut zur Beherbergung auch der schlimmsten Fälle von Geisteskrankheit. Die Parallelen zu unserem Schulalltag sorgten für etliche Lacher. Auch das schlicht-funktionale Schulmobiliar eignet sich hervorragend zur Einrichtung einer Irren-Anstalt. Passend dazu hing ein großes Foto unseres Direktors Herr Meyer an der Wand, um über die Therapieanstrengungen seiner Tochter Frau Dr. Zahnd (streng und dominant Laura Herbst/ Rebecca Cremer) zu wachen.
Die Routine der ersten Gruppensitzung (als Patienten Samia Elouardani, Clemens Marcus, Jan Netzer, Ilona Sieben, Hannah Wittmann) endet in einer verwüsteten Bühne nach etlichen, von den Schülern selbst erarbeiteten Dialogen in lebensnaher Jugendsprache zum Thema Internetabhängigkeit. Dazu passt der vertrottelte, Smartphone-verliebte Assistent (Clemens Marcus) des Kommissars (Daniel Wilms/ Ricarda Boente), der den nun schon zweiten Mord an einer Pflegerin (Jana König) aufklären soll. Dieser Assistent Kepler wird dann auch von der Irrenärztin als neuer Patient einkassiert und darf später bei einer neuen Gruppensitzung das Publikum im Krankenhaus-Flügelhemdchen, rot gepunkteten Boxer-Shorts und verzückter Miene erfreuen. Überhaupt wird die Komik eher von solchen Details getragen als von der sehr ernsten Grundproblematik des Stückes. Dazu gehört auch der Besuch der Familie von I.T. – ein salbungsvoller Herr Heinrichsmeier (Jan Netzer/ Niklas Streerath) mit seiner neuen Frau (muttihaft Hannah Wittmann/ Jana König) und den drei Kindern, (Marvin Aretz als bibelfrommer Ältester, Clemens Marcus als Computer-Nerd, der ebenfalls den Weg der Wissenschaft gehen will, und Samia Elouardani als Protestler im Hoodie). Dazu gehört auch die wiederholte Einbeziehung des Publikums durch Aktionen auf und vor der Bühne. So musste Herr Bodewein als früherer Klassenlehrer aus der Stufe sein Improvisationstalent auf der Bühne unter Beweis stellen. Der Hausmeister (Marvin Aretz) und sein Assistent (Dennis Nukic) suchten sich im Publikum Unterstützung beim Schleppen. Auch gefielen die Spitznamen für die Pfleger (Dennis Nukic, Paul-Felix Voell), die als „entlaufener Zirkusaffe“ und „H.G. Baxter“ nach dem dritten Mord, an Schwester Mona (Ilona Sieben/ Christina Ciecierski), die zu liebevollen Schwestern ersetzen.
All das ist Verpackung für die Auseinandersetzung mit der Ethik der Wissenschaft. I.T (mittwochs: wunderbar lebendig Nina Hollmann/ Paul-Felix Voell)ist nicht verrückt, sondern genial und versucht, sich und ihren Algorhythmus, der eine wirtschaftliche und wissenschaftliche Beherrschung der Welt ermöglichen kann, im Irrenhaus zu verstecken. Zuckerberg (Till Schreiber) ist in Wirklichkeit ein bedeutender Wissenschaftler, der I.T.s Formel für facebook sichern, Berners-Lee (Muhammed Alkhen) ist ebenfalls ein bekannter Wissenschaftler, der I.T. für Google gewinnen soll. Aber diese ist nicht an Macht und Geld und Ruhm interessiert. In einem leidenschaftlichem Vortrag, unterstützt durch Powerpoint, über die vollständige Kontrolle der Weltbevölkerung, die ihre Formel dem Verwender ermöglichen würde, gelingt es ihr sogar, ihre Mit-Wissenschaftler an ihre moralische Verantwortung zu erinnern. Auch sie wollen sich endgültig in den sicheren Hafen des Sanatoriums zurückziehen. Aber alle drei haben nicht mit der Verführung durch Macht gerechnet – längst hat Frau Dr. Zahnd, die sich am Schluss zu visionären Heimsuchungen durch Steve Job bekennt, die Formel gestohlen und zu ihrem persönlichen Vorteil eingesetzt. „Gehen wir uns die Welt holen“.
Das Stück ist wie ein Überraschungsei, es bietet so unterschiedliche Genüsse wie Slapstick, Situationskomik, Tragödie, psychiatrische Erkennisse – die eigentlich Verrückten sind letztendlich die Betreuer -, einen Krimi um die Ermordung der drei Pflegerinnen, die das Pech hatten, mit den Augen der Liebe „ihren“ Wissenschaftler zu durchschauen, und die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft. All das in bester Spiellaune und vielen liebevollen Detail dem Publikum vorgetragen, das mit mehr als verdientem, lang anhaltendem Beifall dankte. Stimmen nach der Aufführung rangierten von „begeisternd“ über „ausdrucksstark“ und „engagiert“ zu „ungewöhnlich im positiven Sinne“.
Zu den bereits genannten Mitspielern gehören auch Rebbecca Cremer, Carina Simoes Ribeiro, Ricarda Boente Christina Ciecierski als weiteres Pflegepersonalund Eva- Maria Wettstein als Oberschwester. Am Donnerstag wechselte die Besetzung der größeren Sprechrollen.
Nicht vergessen werden sollte das Technik-Team mit Simon Fruh, Jan Honsbrok und Theresa Zimmermann aus der EF, die wie schon oft mit Sachverstand und riesigem Einsatz die Aufführung unterstützen. So steuerten sie per Bildschirmübertragung die Auftritte der Spieler und sorgten für den Einsatz von Beleuchtung, Filmen, Präsentationen.
Den Spielern hat die Auseinandersetzung mit sich und dem Stück vor allem zu einem neuen und sehr intensiven Gruppengefühl verholfen. Ein solches Projekt fördert Fähigkeiten, die im regulären Unterricht nicht immer gefordert werden, z.B. Kreativiät, persönliche Verantwortung, Einsatz über die Klingel hinaus. Das Ganze und seine Erfordernisse steht im Mittelpunkt, nicht der Stundenplan. Vermutlich werden solche Erlebnisse die Beteiligten noch lange beflügeln.
Wir bedanken uns für das intelligente Vergnügen, das sie uns beschert haben.