Ungewohntes Lampenfieber?
Anfang Juni war es endlich soweit: nach besonders in der Endphase intensiven, täglichen Proben führten wir, der Literaturkurs der damaligen
Unterprima, das Theaterstück "Kalter Frieden" von Christoph Keller auf. Wenige Minuten bevor der Vorhang sich unserem Premierenpublikum öffnen
sollte, herrschte hinter den Kulissen größte Aufregung und Nervosität; da wurde jeder, der gerade herumstand, nochmals umarmt, wurde nochmals jedem gutes Gelingen gewünscht und in der letzten Minute im Dunkel der Bühne beteuert, jetzt habe man nun wirklich den ganzen Text komplett vergessen.
Doch dann, als das Licht anging, man die etwa 100 Leute im Zuschauerraum spürte, schlüpften wir alle wieder ganz selbstverständlich in unsere Rollen und spielten ohne nennenswerte Versprecher oder Schwächen. Unser Stück, eine Tragikkomödie des jungen Schweizers C. Keller, hatten wir gerade wegen dessen Witzigkeit, der Groteske ausgewählt, bei der man nie ganz sicher weiß, ob man nun lachen oder weinen soll.
Ganz in der Tradition Dürrenmatts und dem Drama "Die Physiker" sehr ähnlich spielt auch "Kalter Frieden" in einem Institut, das von einer machthungrigen Frau geleitet wird. Menschen werden hier nach dem Pawlowschen Prinzip konditioniert, abgerichtet zu voll funktionstüchigen Robotermenschen (den Retos) oder aber auf höherer Ebene zu Dikatoren und Bischöfen ausgebildet. Zentrales Thema ist wie bei Dürrenmatt Macht, ein weltweiter Kontrollapparat ist das Ziel der Petra Paffloh, der im Schloßinstitut im gottverlassenen Nest Altmarschingen zu diesem Zweck ein Kollegium von Doktoren untersteht.
In dieses von der Außenwelt abgeschirmte Machtzentrum geraten nun ganz zu Beginn der Komödie zwei unschuldige "Normalbürger": Anselm, ein Feigling, und Erika, die Kleptomanin. Sofort sollen auch sie in das System integriert werden, dem sie zumindest anfangs mit erfrischendem Humor begegnen. Erika wird Opfer einer von Dr. Herbert ersonnenen Intrige, sie sträubt sich aufs Heftigste gegen seine Annäherungsversuche
(vielleicht erinnert sich mancher schmunzelnd an die "Bettszene") und ebenso gegen jegliche Konditionierung. Anselm aber wird zunehmend empfänglicher für den Abrichtungsprozeß, und als Erika in ihrer Verwirrtheit schließlich Brauer, die rechte Hand der Professorin Paffloh, mit jener verwechselt und einen tödlichen Schuss auf sie abfeuert, wie es Herbert ihr aufgetragen hatte, entpuppt sich Anselm als kühl und "entmenschlichter" Dr. Stefani, der, gedrillt und konditioniert, mit Erika keinerlei Mitleid hat. Mit dem ebenfalls dem Machtwahnsinn verfallenen Anselm endet das Stück nach spritzigen Auftritten der Retos, die sich trotz aller Konditionierung eigenständige Charaktere erhalten haben, und Auftritt dreier Preisverleiher zu Ehren der Professorin, von denen zwei durch ihre Tolpatschigkeit auffielen, einer jedoch, der Bürgermeister der Stadt, durch seine scharf satirische Wahlrede sehr amüsierte.
Wir ließen in unsrer Interpretation der Tragikomödie wenig heikle Themen unberührt; so hatten wir Spass, dem Publikum das intime Verhältnis zweier Doktorinnen vorzuführen. Fehlte es uns bei der Premiere zunächst noch an Lockerheit, so änderte sich dies schlagartig schon bei der zweiten der drei Aufführungen, bei der so mancher durch eine Requisiten-Panne zu hervorragender spontaner Improvisation geführt wurde (was allerdings den Zuschauern völlig verborgen blieb, den Mitwirkenden aber einen Heidenspass und ein Erfolgserlebnis brachte).
Die Euphorie und Freude über unseren gemeinsamen Erfolg war bei der Abschlußfeier groß, nicht zuletzt auch bei Frau Baumgard, unter deren Regie und Verantwortung wir das Stück einstudiert hatten. Als auch die letzte Aufführung vorbei war, löste sich die ganze Anspannung der vergangenen Tage in Wohlgefallen auf und zurück blieb Zufriedenheit über das, was man zusammen erreicht hatte, und die positive Resonanz unseres Publikums (einige kamen gleich mehrmals). Ein herzliches Dankeschön nochmals an alle, die ihre kostbare Freizeit für uns opferten.
Ihre Frau Doktor Moser alias Karoline Dürselen!
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